23. Oktober 2020 | Aktuelles

Offener Brief an den Außenminister

Nasrin-3-3

logo_1

An
Bundesaußenminister
Heiko Maas
Auswärtiges Amt
11013 Berlin

Frankfurt am Main, 22.10.2020

Ihr Einsatz für die Freilassung der iranischen Menschenrechtsverteidigerin Nasrin Sotoudeh

Sehr geehrter Herr Außenminister,

wir wenden uns mit diesem Schreiben an Sie, um unserer großen Besorgnis über die lebensbedrohlichen Haftbedingungen der iranischen Menschenrechtsverteidigerin Nasrin Sotoudeh Ausdruck zu verleihen und um Sie inständig zu bitten, sich für ihre sofortige Freilassung einzusetzen.

Die Anwältin kämpft seit über 20 Jahren für die Wahrung von Menschenrechten im Iran, insbesondere der Kinder- und Frauenrechte, und gilt als Symbolfigur der Bürgerrechtsbewegung vor Ort. Für ihr Engagement wurde sie vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Sacharow Preis des Europäischen Parlaments, dem Menschenrechtspreis des Deutschen Richterbundes sowie jüngst dem Alternativen Nobelpreis.

Wegen ihres unermüdlichen Einsatzes für Frauen, Kinder, Aktivistinnen und Aktivisten sowie Journalistinnen und Journalisten, wurde Nasrin Sotoudeh im Juni 2018 zum wiederholten Male inhaftiert und soll eine Strafe von 33 Jahren Gefängnis und 148 Peitschenhieben verbüßen. Um auf die grassierende Covid-19-Pandemie in den iranischen Gefängnissen sowie die nicht vorhandenen Schutzmaßnahmen der Inhaftierten aufmerksam zu machen und zugleich die Freilassung aller politischen Gefangenen zu fordern, war sie zuletzt für 46 Tage in den Hungerstreik getreten.

Nasrin Sotoudeh hat bereits mehrere Hungerstreiks überlebt. Während ihres letzten Hungerstreiks stand sie allerdings kurz vor einem multiplen Organversagen. Sie ist schwer erkrankt und extrem gefährdet, sich mit Covid-19 zu infizieren. Jetzt soll ihr Leid und das ihrer Familie noch vergrößert werden: Am 20. Oktober 2020 wurde sie von Wärterinnen des berüchtigten Evin-Gefängnisses in Teheran aufgefordert, sich für den Transport in ein Krankenhaus vorzubereiten. Anschließend wurde sie jedoch nicht in ein Krankenhaus, sondern in das südlich von Teheran gelegene Shar-e Rey-Gefängnis, auch QarchakGefängnis genannt, verbracht. Die Haftbedingungen dort sind noch schlechter als im EvinGefängnis und schlichtweg menschenunwürdig. Über die miserablen Haftbedingungen im Qarchak Gefängnis berichtete beispielsweise die politische Gefangene Golrokh Ebrahimi Iraee in einem Brief vom 7. September 2020. Aufgrund der unhygienischen Verhältnisse und der fehlenden medizinischen Versorgung, wird den Gefangenen jede Möglichkeit verwehrt, sich vor einer Ansteckung mit dem Corona Virus zu schützen.

Zudem zeigt die bewusste Täuschung durch die iranischen Behörden auf, dass Nasrin Sotoudeh seelisch gebrochen werden soll und sie bewusst der Gefahr einer tödlichen Erkrankung ausgesetzt wird. Mit der Verlegung ins Qarchak Gefängnis spielt die iranische Regierung gezielt mit ihrem Leben.

Bitte fordern Sie die iranische Regierung auf, Nasrin Sotoudeh umgehend medizinische Behandlung zu ermöglichen und die 57-Jährige freizulassen. Ihr Eintreten könnte das Leben einer der unermüdlichsten Menschenrechtsverteidigerinnen unserer Zeit retten.

Wir danken Ihnen für Ihre Bemühungen.

Mit besten Grüßen